(Kiel) Sofern ein Besteller wegen Baumängel zunächst eine Minderung geltend macht kann er sich später hinsichtlich der Wahl der Mängelrechte umentscheiden. Der BGH hat soeben festgestellt, dass eine erklärte Minderung der Vergütung für ein mangelhaftes Werk den Anspruch auf Vorschuss der Kosten zur selbstständigen Mängelbeseitigung nicht ausschließt.

Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene–Monika Filiz, Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 22.08.2024, Az.: VII ZR 68/22.

Dem Urteil liegt ein Werkvertrag über die Erstellung eines Hauses im Jahr 2012 zugrunde. Die klagende Baufirma hatte für die Beklagten ein Einfamilienhaus auf deren Grundstück errichtet. Es wurden an dem Bauvorhaben diverse Mängel festgestellt, insbesondere wurde der Schallschutz nur mangelhaft umgesetzt. Die Klägerin begehrte mit deren Schlussrechnung einen Restbetrag i.H.v. von über € 100.000,00, die Grundlage der späteren Klage des Bauunternehmers war. Die auftraggebenden Eheleute erklärten die Minderung der Vergütung nach Maßgabe des § 634 Nr. 3 BGB. Im Wege der Widerklage begehrten sie die Rückzahlung eines bereits bezahlten Betrages.

Das erstinstanzlich erkennende LG Lüneburg wies mit Urteil vom 26.05.2021, Az.: 6 O 4/16 die Widerklage der Auftraggeber ab. Es argumenteierte dahingehend, dass die geltend gemachten Schallschutzmängel keine Auswirkung auf den Verkehrswert des Grundstückes habe. Insoweit habe es keinen Minderwert gegeben. Auch das Berufungsgericht, das OLG Celle entschied mit Urteil vom 09.03.2022, Az.: 15 U 105/21, dahingehend, dass ein Minderwert nicht vorliege.

Insoweit machten die Kläger mit der Revision  anstatt des Minderungsanspruchs einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme der  Beseitigung der Schallschutzmängel vor. Mit diesem Anspruch waren die Beklagten erfolgreich.

Der BGH erkannte dahingehend, dass die Beklagten ein Kostenvorschussanspruch zustehe, gleichwohl sie wegen der Mängel zunächst Minderung erklärt haben.

Der BGH führt aus, dass es keine gesetzliche Regelung gebe, wonach die Geltendmachung eins Kostenvorschussanspruches ausgeschlossen sei, wenn der Besteller die Minderung des Werklohnes erklärt habe. Dem Gesetzeswortlaut der §§ 634, 637, 638 BGB sei vielmehr zu entnehmen, dass diese Rechte nebeneinander geltend gemacht werden können.

Auch unter systematischen Erwägungen sei davon auszugehen, dass die Geltendmachung eines Mängelrechtes andere Mängelrechte nicht ausschließe. Gesetzlich sei hierzu nur in für den Fall, dass Schadensersatz statt Leistung gefordert werde, der Besteller mithin zum Ausdruck bringt, sich vom Vertrag lösen zu wollen, er gem. § 281 Abs. 4 BGB seinen Anspruch auf Nacherfüllung verliere.

Diese Rechtsfolge erstreckt sich hingegen nicht auf die Möglichkeit zur Selbstvornahme und damit auch nicht auf den Kostenvorschussanspruch nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB. Zur Begründung verwies der VII. Zivilsenat des BGH auf dessen Rechtsprechung zum Verhältnis der sog. Kleinen Schadensersatzes zum Kostenvorschussanspruch heran. Insoweit kann der Besteller immer noch selbst den Mangel beseitigen, auch wenn er sich für den „kleinen Schadensersatz“ entscheidet, mithin das mangelhafte Werk behält und stattdessen Geldersatz begehrt.

Insoweit gelten diese Erwägungen auch im Kontext mit der Erklärung einer Minderung. Sofern der Besteller zunächst das Mängelrecht der Minderung wählt, steht es ihm grundsätzlich frei, zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen.

Dem BGH folgend kommt es nicht darauf an, ob eine Minderung des Wertes des Werkes überhaupt vorliege. Ein nachträglicher Wechsel von der Minderung zur Selbstvornahme sei unabhängig hiervon möglich.

Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de – verwies. 

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Helene – Monika Filiz
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