Landgericht Berlin, Urteil vom 13. Oktober 2017 – 66 S 90/17, veröffentlicht am 19.10.2017

Die Zivilkammer 66 des Landgerichts hat mit einem am 13. Oktober 2017 verkündeten Urteil in zweiter Instanz den Mieterschutz bei Zahlungsrückstand gestärkt. Nach dem Urteil könne ein Vermieter zwar seinem Mieter, der sich mit einer bestimmten Miethöhe in Rückstand befinde, fristlos kündigen. Wenn der Vermieter jedoch gleichzeitig vorsorglich fristgemäß kündige, sei diese hilfsweise erfolgte Kündigung unwirksam, da mit Zugang der fristlosen Kündigung der Mietvertrag sofort beendet werde.

Diese Differenzierung ist dann von Bedeutung, wenn der Mieter innerhalb der gesetzlichen Frist den offenen Betrag nachzahlt. Nach dem Gesetz wird die fristlose Kündigung dadurch unwirksam. Nach der Auffassung der Zivilkammer 66 bleibt es in diesem Fall dem Vermieter verwehrt, sich auf die zugleich hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung zu berufen.

Das Landgericht hat daher die Klage der Vermieter auf Räumung der Wohnung gegen den Hauptmieter abgewiesen. Mit diesem Urteil ist die Zivilkammer 66 von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der andere Mietberufungskammern des Landgerichts Berlin bisher gefolgt sind, abgewichen und hat deshalb die Revision zugelassen.

Die klagenden Vermieter und der Hauptmieter des Rechtsstreits hatten im Juli 2004 einen Mietvertrag über eine ca. 28 m² große Ein-Zimmer-Wohnung in Berlin-Wilhelmsruh abgeschlossen. Mit Schreiben vom 11. Juli 2016, dem Mieter drei Tage später zugegangen, kündigten die Vermieter den Mietvertrag fristlos mit sofortiger Wirkung und hilfsweise mit ordentlicher Frist zum 31. Oktober 2016, da sich der Mieter mit einem Betrag von insgesamt 500,30 EUR für Juni und Juli 2016 im Rückstand befunden hatte. Am 19. Juli 2016 erhielten die Vermieter die Zahlung des offenen Restbetrages. Nach den gesetzlichen Mietvorschriften wurde dadurch die Kündigung unwirksam.

Anfang November 2016 erhoben die Vermieter Räumungsklage und beriefen sich auf die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung vom 11. Juli 2016, die nach ihrer Ansicht den Mietvertrag zum 31. Oktober 2016 beendet habe. Das Amtsgericht Pankow/Weißensee gab den Vermietern im Wesentlichen Recht, errechnete allerdings das Ende des Mietvertrages erst zum 30. April 2017 und verurteilte den Mieter und einen weiteren Nutzer der Wohnung zur Räumung zu diesem Datum. Die dagegen gerichtete Berufung des Mieters hatte Erfolg.

Die Zivilkammer 66 argumentierte, dass zum Zeitpunkt, als die fristlose Kündigung der Vermieter zugegangen sei, der Mietvertrag unmittelbar beendet worden sei. Die zugleich hilfsweise erklärte Kündigung mit ordentlicher Frist greife ins Leere. Die Kündigungswirkungen der fristlosen Kündigung seien zwar später durch die Nachzahlung des offenen Betrages entfallen, die fristlose Kündigungserklärung bleibe aber bestehen. Damit bleibe die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung unwirksam und könne nicht wieder „aufleben“.

Nach Ansicht der Zivilkammer 66 habe sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, und zwar auch in dem Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04, dort Rn. 21, zitiert nach juris – nicht mit dem vorgenannten Argument auseinandergesetzt.

Weitere Informationen: https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2017/pressemitteilung.641497.php

Angefügte Dateien:
66-s-90-17-urteil-vom-13-10-2017-anonymisiert-2.pdf